Meine Faszination für Wurzelholz ist ungebrochen – es zu imitieren, reizt mich mehr denn je. Dabei habe ich eine neue Möglichkeit gefunden: die Spiritustechnik. Und die birgt ein Potenzial in sich, das mir fast grenzenlos erscheint!
Vor- und Nachteile der Spiritustechnik
Der größte Vorteil dieser erstaunlichen Methode ist wohl, dass man maximal echt wirkende Ergebnisse mit minimalem Aufwand erzielen kann. Minimaler Aufwand, weil das meiste an Arbeit von der Reaktion des Spiritus übernommen wird, wenn man ihn in eine dünn aufgetragene, wässrige Lasur tropft. Vorteilhaft ist auch, dass sich unecht wirkende Regelmäßigkeiten in der entstehenden Struktur ganz leicht vermeiden lassen, beziehungsweise sich gar nicht ergeben. Eindeutiger Nachteil: es spielen so viele Faktoren eine Rolle, dass das Ergebnis – ohne viel Übung – kaum steuerbar ist.
Eine Sammlung möglicher Ergebnisse …
Doch es ist ja mit den meisten Dingen so: man muss sie ergründen, sich reinfühlen und von verschiedenen Seiten kennenlernen, um voraussagen zu können, was von welchen Faktoren abhängig ist und somit das Ergebnis bestimmt. Bei der Spiritustechnik allerdings scheint mir der Weg zu einer, zumindest ansatzweisen, Meisterschaft ein besonders langer zu sein, denn die Einfluss nehmenden Faktoren sind hier besonders zahlreich!
Faktoren, die das Ergebnis bestimmen
- Verwendete Farben: damit meine ich nicht, aus welchen Ingredienzien die Farben bestehen, sondern nur, welche Farbigkeit sie haben. Grundiere ich mit einem Cremeweiß und gehe mit rotbrauner Lasur drauf, so unterscheidet sich das Resultat schon mal grundlegend von dem einer Anlage mit orangefarbener Grundierung und dunkelbrauner Lasur.
- Wassergehalt der Lasur: je wässriger, je dünnflüssiger die Lasur, desto scharfkantiger und ausgeprägter bilden sich die Spirituskreise aus.
- Stärke des Lasurauftrags: je dicker die Lasur aufgebracht wird – soweit man bei einer wässrigen Flüssigkeit von dick sprechen kann -, desto diffuser werden die Verdrängerkreise. Dafür aber bilden sich zwischen den Kreisen tiefe Pfützen, die wiederum langsam, aber sehr scharfkantig auftrocknen.
- Feuchtigkeit der Grundierung: je trockener die Grundierung, desto scharfkantiger die Spirituskreise. Enthält die Untergrundfarbe noch Restfeuchtigkeit, werden auch die Kreise schwammiger.
- Größe der Tropfen: dieser Punkt ist selbsterklärend
- Art der Aufbringung der Tropfen: tauche ich meine Finger in Spiritus und verteile ich den Alkohol mit einer Schleuderbewegung auf der Lasur, erhalte ich unterschiedlich große, verschieden dicht gestreut Kreise. Verwende ich hingegen eine Spritze mit Kanüle, werden die Kreise ziemlich gleich groß und ich kann deren Verteilung selbst steuern.
- Geschwindigkeit der auftreffenden Tropfen: mit je mehr Wucht der Spiritus in der Lasur landet, desto scharfkantiger werden die Kreise. Diese Wucht kann ich entweder über die Heftigkeit der Schleuderbewegung oder über die Fallhöhe aus der Kanüle regulieren.
Nun bin ich beileibe kein Kombinatorik-Hecht, aber da ja alles miteinander kombiniert beziehungsweise wiederholt werden kann, ergeben sich aberhunderte möglicher Resultate. Und die sind, wie gesagt, nur bedingt vorauszusagen.
Doch genug der Vorab-Worte, beschäftigen wir uns doch nun mal konkret mit dieser Wunder-Technik – was man dafür braucht und, vor allen Dingen, wie man dabei vorgeht …
Benötigte Materialien
- Wandfarbe als Grundierung. Vorteile der Wandfarbe gegenüber Acrylfarben: beide trocknen zwar wasserfest weg, aber die Wandfarbe wird matt und man kann auf mattem Untergrund die wässrige Lasur viel besser und gleichmäßiger verteilen, als auf den eher zum Glanz neigenden Acrylfarben. Dort würde die Lasur abperlen. Zudem ist Wandfarbe viel günstiger.
- Acrylfarben in verschiedenen Braun- und Orangetönen
- Brennspiritus
- Spritze mit stumpfen Kanülen verschiedener Stärke
- Küchenrolle, Schwämme, Korken, verschiedene Pinsel
- Klarlack, am besten Schellack
Vorgehensweise
- Grundieren mit Wandfarbe. Dabei ist zu beachten, dass dies immer die hellste aller verwendeten Farben sein muss, man sich also von hell nach dunkel hocharbeitet. Umgekehrt funktioniert es nicht. Außerdem generell lieber etwas hellere Farben verwenden, denn spätestens beim Lackieren dunkelt ohnehin alles nochmal nach.
- Grundierung ein zweites Mal auftragen und nach dem Trocknen glattschleifen, sonst erzeugen eventuelle Pinselriefen eine für Wurzelholz untypische Maserung.
- Auf die Grundierung, die man je nach Wunsch auch wieder leicht anfeuchten kann, wird nun eine dunklere, wässrig verdünnte Lasur aus Acrylfarben und Wasser aufgetragen.
- In die noch nasse Lasur nun, je nach gewünschtem Effekt, Spiritus auftropfen.
- Will man eine zweite Schicht Lasur auftragen und erneut betropfen, um das Masermuster noch organischer zu gestalten, empfiehlt es sich, die vorhergehende Schicht mit einer dünnen Lage Schellack zu schützen. Damit dieser jedoch Lasur annimmt, muss man ihn stark mit Spiritus verdünnen. Der Lack darf natürlich erst aufgebracht werden, wenn die erste Musterschicht komplett trocken ist.
- Im Bedarfsfall kann nun mit einer Lasurschicht nachgedunkelt werden oder man setzt noch Akzente, indem man leichte Maserlinien einzieht, dunklere Flecken oder Schattierungen platziert.
- Man sollte allerdings unbedingt darauf achten, aufzuhören, bevor man es übertreibt. Also immer wieder kritisch beugen und innehalten, wenn es gefällt.
- Dabei nicht vergessen: wenn man lackiert, wird die Maserung ohnehin noch dunkler – und auch kontrastreicher!
Die Spiritustechnik in der Praxis
Mein allererstes Praxis-Opfer: mein alter Kinderspiel- und Maltisch mit der ursprünglich so „ansprechenden“ Resopalplatte!
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