URoMAS SCHATuLLE – EIN SCHATZ FÜR 8 EuRO

Uromas Schatulle? Noch ist’s ne Kiste!

„Ne, oder…?“, fragt mein Herzenskleinod ungläubig, als ich ihm stolz mein neuestes Übungsobjekt zeige, das ich soeben für sage und schreibe 8, in Worten acht, Euro online erworben habe. „Das ist ja der totale Schrott! Keine Minute würd ich mit dem Glump verschwenden!“ Ach, mein Schneck, er hat ja keine Ahnung, was ich aus dieser Kiste rauszuholen plane …

Schatullen sind einfach was Feines! Sie sind klein, naja, relativ klein, sie sind dekorativ, wenn sie nicht gerade aussehen wie diese da, und man kann ganz wunderbar Krimskrams drin verstauen. Doch diese Kiste, die das Gesäß deutlich zu weit unten hat, um sich Schatulle nennen zu dürfen, hab ich ja auch zum Üben gekauft. Ich hab mich so sehr in das Fachgebiet der Marketerie und Intarsien verliebt, dass ich das dringende Bedürfnis habe, da was dazuzulernen. Was nützt mir also eine ansehnliche Schatulle, an der es nicht mehr viel zu tun gibt? Nix! Das muss sogar mein Herzenskleinod zugeben!!! Also hab ich stattdessen dieses schraddelige Teil erworben, das nun seiner Metamorphose zur Schatulle entgegenblickt. So hoffe ich zumindest…

„Das war das billige Graffel?“, fragt mein Herzenskleinod ungläubig, als ich ihm das fertige Ergebnis präsentiere. „Ned schlecht, mein Bastelschneckerl!“ Tsss, Bastelschneckerl… Dabei fühl ich mich gerade wie eine Schöpferikone, eine Furnierkönigin, eine Marketeriegöttin. Nun ja, auch eine maßlose Übertreibung, aber ich hab mein Ziel erreicht. Die Kiste ist jetzt Schatulle – und ich hab wieder jede Menge dazugelernt! Aber fangen wir am Anfang an.

Uromas Kiste wehrt sich

Dabei wäre ich schon beinahe ganz zu Beginn daran gescheitert, weil diese verdammten Schrauben nicht rausgehen wollen. Kaum 3 mm lang, aber sich mit rostigen Gewinden im Holz festbeißen! Während ich Geduld an den Tag lege und ordentlich WD 40 opfere, entdecke ich noch etwas Interessantes im Inneren des Deckels. Etwas Handgeschriebenes …

Solche Notizen find ich immer spannend. Ich weiß zwar nicht, was sie bedeuten, aber mir wurde ja Phantasie mitgegeben. Außerdem hatte der Verkäufer, dessen Vater schon 92 Jahre alt ist, mir gesagt, dass diese Kiste seiner Urgroßmutter gehört und sie Briefe und Urlaubspostkarten darin aufbewahrt hatte. Wenn man also von einem gerade noch schicklichen Vermehrungsverhalten der Ahnen des Verkäufers ausgeht, dann ist das Teil mindestens 130 Jahre alt. Und vielleicht war ja die Oma heimlich im Geldverleiherbusiness unterwegs. Oder sie hat Haushaltsgeld abgezweigt und unauffällig unter Briefen verborgen. Ich werde es wohl nie erfahren!

2 Tage und eine halbe Dose WD 40 später ist auf jeden Fall die erste Hürde überwunden – alle Schrauben sind draußen und ich kann loslegen! Urgroßmutters Schmugeld geht mich ja auch beileibe nichts an.

Uromas Schatulle entsteht zumindest schon mal digital

Mein Part ist einzig und allein der: ich muss üben! Am Computer schraube ich vorab ein Design zusammen, das mir gefällt, gleichzeitig aber die von mir gewünschten Übungsaspekte ausreichend berücksichtigt: gerade und gleichmäßig schneiden und exakte Musterbänder fabrizieren.

Um solche Entwürfe möglichst detailgetreu machen zu können, scanne ich die Furniere meiner Wahl übrigens 1:1 ein. So kann ich genau sehen, wie die Maserung wirkt und betrüge mich nicht selbst, indem ich das Furnier in der gestalterischen Trockenübung in der falschen Größe einbaue, nur, weil es besser aussieht. Da echtes Furnier nicht aus Gummi besteht, muss es verwendet werden, wie es eben ist. Aber passen muss es!

Zum Thema gerade und exakt Schneiden habe ich übrigens schon im Vorfeld eine Hilfslösung erbrütet und bin darob Besitzerin einer selbstgebauten Schneidvorrichtung, die heute eingeweiht werden soll. Schaun mir amal …

Unfassbar – ich kann gerade schneiden!

Mit Hilfe der Schneidkonstruktion und dem zweckentfremdetem Filmoplast gelingen mir dann tatsächlich erstmals exakt gleich breite Streifen, die ich zu kleinteiligen, haltbaren Musterbändern zusammenfügen kann. Halleluja!!!

Nun geht’s an den Korpus, dessen größte Herausforderung wohl das seltsame Schloss darstellt. Es ist dicker als die vordere Seitenwand und wurde deshalb mit einem Brettchen verkleidet, das aber leider nicht bis zum Boden der Front reicht. Ich bin froh, dass ich jedes nennenswerte Holzfizzel aufbewahre, statt es wegzuwerfen. So nämlich finde ich tatsächlich ein Brettchen, das exakt die gleiche Stärke aufweist, wie das schon vorhandene Stück. Ein Glückstreffer!!!!

Und meine Idee, den hervorstehenden Schlüsselzylinder zu fassen und wertiger aussehen zu lassen, lässt sich auch umsetzen – ein Perlmuttknopf dient als stilvolle Fassung. Wie wenig stilvoll ich geflucht habe, während ich versuchte, ein ausreichend großes Loch in den Knopf zu bekommen, ohne dass er zerbricht, möchte ich an dieser Stelle nicht näher ausführen…

Die Inneneinteilung des Kästchens legt durch zwei Querleisten auf halber Höhe der Innenseiten nahe: da gab es wohl noch zwei Kästchen, die auf den Leisten aufsaßen. Also zimmere ich solche auch noch zusammen – und zinke erstmals in meinem Leben. Ich gebe zu: die hier gezeigte ist die absolute (und einzige) Schokoladenzinkung …

Nun, da der Unterbau steht, kann ich beginnen, den Korpus mit Furnier einzukleiden. Das ist wieder mal eine etwas mühevolle Angelegenheit, denn ich kann immer nur eine Seite bestücken und pressen. Zu groß wäre sonst die Gefahr, dass die Musterplatte durch den Zwingendruck auf der Leimschicht kurz ins Schwimmen gerät und sich verschiebt. Das wäre fatal, denn die Musterbordüre muss ja rundherum auf gleicher Höhe verlaufen und der Anschluss an den Ecken muss passen.

Das Pressen und Abbinden dauert immer seine Zeit und ich gehe lieber auf Nummer sicher – 24 Stunden sind besser als 12 Stunden. Und nen Job hab ich ja auch noch … So dauert es geschlagene fünf Tage, bis auch der Korpus fertig ist; inklusive der Schloss-Erkerverkleidung, der Schlüsselblende und des Finishs mit Farbe und Lack. Und es hat sich gelohnt, wenn ich das so unbescheiden behaupten darf!

Gedankenverloren streicht mein Herzenskleinod über den babypoglatten Deckel und sagt: „Ich würd dem Verkäufer kein Bild davon schicken. Zum Schluss will er die Schatulle wiederhaben…!“ Er hat die Kiste Schatulle genannt! Nicht Glump, altes Graffel oder Schrott – nein, Schatulle hat er gesagt!!!

BARBARA Written by:

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