VERGeSSENE TECHNIKEN: MAsERUNG IMITIeREN – WURZELHoLZ

Als ich einen Biedermeierstuhl mit Schwarzlotmalerei restaurieren wollte, kam ich mal wieder von Höchsken auf Stöcksken – sprich vom Wasserflecken auf Holz retuschieren zum Maserung imitieren. Genauer gesagt: Wurzelholz-Maserung. Wie und warum, das kann ich gar nicht mehr nachvollziehen, aber ich weiß, dass ich Informationen zum Thema Bierlasur suchte…

Aber von Anfang an: auch früher schon gab es teure Möbel, zum Beispiel aus Mahagoniholz, die sich jedoch nicht jedermann leisten konnte. Da viele nicht so Solvente ihr Heim jedoch gerne mit exakt solch unerschwinglichen Einrichtungsgegenständen geschmückt hätten, wurde günstigeres Weichholz optisch in das teurere Edelholz verwandelt, indem man es entsprechend bemalte und dabei typische Maserungsmerkmale imitierte – und das teilweise wirklich täuschend echt.

Eine große Rolle hierbei spielte die sogenannte Bierlasur, eine Mixtur aus Pigmenten, verschiedenen anderen Ingredienzien – und Bier. Das Bier fungierte als Bindemittel und verlieh der Pigmentpampe eine ganz eigene Viskosität. Je nach Pigmenten und der Art des Aufbringens dieser Farbe entstanden fantastische Nachahmungen der Maserung edler Hölzer. Eine schwierige Technik, für die man einen Blick, künstlerisches Geschick und ein wenig Geduld braucht und die früher wichtiger Bestandteil der Malerausbildung war. Maler im Sinne von Anstreicher, von Maler und Lackierer.

Fasziniert von den Beispielen, die ich da zum Thema Bierlasur fand, begann ich tiefer zu graben. Wenn man die Maserung von „normalen“ Hölzern so trefflich nachahmen kann, dann müsste doch auch eine Imitation von Wurzelholz möglich sein. Ja, sagte das Internet, das ist möglich. Leider aber war zu diesem Thema wenig Brauchbares in Sachen Technik und geeigneter Farben aufzutreiben, sodass ich begann, selbst herumzuexperimentieren.

Dass diese Experimente nicht sofort von Erfolg gekrönt waren, versteht sich von selbst, dass ich jedoch bereits beim dritten Versuch ein Ergebnis erzielte, das sich, zumindest in meinen Augen, echt sehen lassen kann, erstaunte mich dann doch. Erstaunte? Ach was, ich sag’s, wie es ist: es begeisterte mich derart, dass ich seitdem ständig überlege, was ich damit noch veredeln könnte.

Wurzelholz-Maserung imitieren – Versuchsreihe

Erste Tat: verfügbares Material sichten und eine Auswahl treffen. Bier, verschiedene Pinsel – alles kein Problem. Pigmente – Fehlanzeige. Als Ersatz habe ich alles rausgekramt, was mein Farbfundus zu bieten hatte: Acrylfarben, Wandfarbe, Gouache. Zweite Tat: echtes Wurzelholz studieren, Charakteristika extrahieren, mögliche Umsetzung zusammenfantasieren. Dritte Tat: loslegen!

Versuch Eins

Grundierung mit Acrylfarbe, weitere Schichten mit bierverdünnter Gouache, Maserung mithilfe verschiedener Pinsel, Akzentuierung mit schwarzem Acrylstift, zweimal mit mattem Klarlack zwischenlackiert.

Versuch Zwei

Grundierung mit Acrylfarbe, weitere Schichten mit bierverdünnter Gouache, Maserung mithilfe verschiedener Pinsel und geknüllter Alufolie zum Stupfen, zweimal mit mattem Klarlack zwischenlackiert.

Versuch Drei

Bei Versuch Drei starte ich mit mehr Material. Die wichtigste Ergänzung ist wohl das Latexbindemittel, das eine recht lange Trockenzeit hat und so ein erfolgreicheres Nass-in-Nass-Mischen ermöglicht.

Wurzelholz – Maserung imitieren – Schritt für Schritt

Schritt Eins

Als Grundierung habe ich eine stinknormale Wandfarbe in „caramelbraun“ verwendet. Braun ist die gewählte Farbe nicht wirklich, eher ocker, mit einem Hang zum Orange – intensiv, aber nicht krachig. Also ideal für ein Wurzelholz-Projekt. Mit diesem Caramelton habe ich zweimal gestrichen. Danach hieß es warten, bis die Farbe ganz trocken war.

Die Abklebung mit Kreppklebeband ist übrigens nur für dieses Wiederholungs-Projekt nötig gewesen, hat also mit der zu erstellenden Maserung nichts zu tun.

Schritt Zwei und Drei

Mit einem breiten Pinsel Latexbindemittel auftragen. Der leicht weißliche Kleister sollte eine sichtbare Schicht bilden, nicht so dünn, dass sich zu rasch Trocknungsspuren zeigen, aber auch nicht so dick, dass es schwimmt. Dazu wird dann dunkelbraune Gouache gegeben, leicht verdünnt mit Bier – ca. 1/4 bis 1/3 der Menge des Latexbinders, je nach gewünschter Tönung. Anschließend eine Hemdchentüte (das sind die dünnen Plastikbeutel aus der Obstabteilung), richtig schön krumpelig knüllen und mit sanften, stupfenden Bewegungen den Latexbinder und die Biergouache gleichmäßig über die ganze Fläche verteilen.

Je nach gewünschter Dichte der Wurzelknoten nun mit einem nicht zu schmalen Borstenpinsel in kurvenden, runden Bewegungen eine muschelige Maserung in die Beschichtung ziehen. Je kleiner die Fläche, je dichter die Knoten, desto schmaler sollte der Pinsel gewählt, desto enger die Kurven gezogen werden.

Schritt Vier, Fünf und Sechs

Jetzt werden jeweils dort, wo der Radius der gezogenen Maserungswirbel und -kurven am kleinsten ist, ein oder mehrere verschieden große und dicke Kleckse mit dunkelbrauner oder schwärzlicher Biergouache platziert und mit einem zu einer Art kleiner Stempel geknüllter Alufolie bestupft. Dabei darf gerne richtig fest aufgedrückt werden, denn die mit Latexbindemittel vermischte Farbschicht darunter ist mittlerweile bereits ein wenig trockener und somit auch klebriger geworden. Das bewirkt, dass sich etwas von dem Gemisch an der Spitze des Alustempels festsetzt und, derart klebrig, immer wieder Farbe abrupft – bis hinunter zu Grundierung.

Mit diesem Teilschritt entstehen stellenweise helle Augen innerhalb der dunklen Kleckse und verleihen der nun schon erkennbaren Maserung mehr Plastizität. Diese Kleckse und Augen werden nun mit einem trockenen und schmalen Pinsel umrundet, was einen gemaserten Hof rund um die Wurzelknoten erzeugt.

Schritt Sieben und Acht

Um die Augen noch deutlicher herauszuarbeiten, werden jetzt die Knotenflecken, deren Farbschichten teilweise schon leicht angetrocknet sind – idealerweise in kreisähnlicher Form – teilweise jedoch auch noch recht feucht sind, mit einer kreisenden Bewegung wirbelig verwischt. Dazu kann man einen kurzborstigen Rundpinsel verwenden, die besten Erfolge jedoch erzielt man mit einem Zigarettenfilter, von dem man die Papierhülse entfernt hat.

Der Filter wird zwischen Daumen und Zeigefinger gerollt, festgehalten, das Handgelenk gedreht, der Filter im Zentrum eines jeden Knotens fest aufgesetzt und anschließend schwungvoll um mindestens 180 Grad kreisförmig gedreht. Der so entstandene Wirbel wird nun abermals mit einem dunklen Klecks Biergouache versehen.

Schritt Neun und Zehn

Den frisch aufgetragenen Klecks etwas antrocknen lassen und, wie in Schritt Sechs bereits beschrieben, erneut mit gekrumpelter Alufolie – und Schmackes – bestupfen. Ganz zum Schluss wird die Wurzelmaseroptik noch mit dunkelbraunem und schwarzem, aquarellierbarem Buntstift betont, indem man um die Augen herum dezente „Jahresringe“ andeutet. Den letzten Schliff verleiht man dem Maserbild, indem man unterschiedlich große, aber alles in allem recht kleine, dunkle Pünktchen in die helleren Teile der Maserung einsprenkelt – mit einem sehr dünnen Pinsel und zurückhaltend!

Und noch einige Wohnbeispiele …

BARBARA Written by:

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