IcH MALE MIR NE TIScHPLATTE …

Eine Resopal-Tischplatte verwandelt sich

Als Kind hatte ich ein Tischlein, das nicht immer im Kinderzimmer stand, sondern im Bedarfsfall – und so einen gab es oft – in einen anderen Raum gestellt wurde, sodass ich zum Beispiel malen konnte, während Mama kochte, und wir beide trotzdem zusammen waren. Dieser Tisch hatte eine hellblaue Resopal-Tischplatte und, ehemals für Erwachsene konzipiert, von Papa eigenhändig auf meine Größe gekürźte Beine.

Irgendwann war ich dem rot lackierten Tischchen mit der pflegeleichten Tischplatte entwachsen und das gute Stück wanderte auf den Dachboden. Und da stand der Tisch bis heute. Lange schon wollte ich etwas Hübsches draus machen, war mir aber nicht im Klaren, was und wie genau. Bis ich, im Zuge meiner Erkundungsausflüge in die Welt der Holzimitationen, eine besonders faszinierende Technik ausprobierte.

Eine Technik, die, verbunden mit erstaunlich wenig Arbeit, neue Wurzelholz-Universen auftut. Da ich für derartige Hölzer ohnehin ein Faible habe, beschloss ich, diese Technik an meinem Kindertischchen auszuprobieren. Das Risiko, dass das Ergebnis vielleicht nicht ganz perfekt ausfällt, ist ziemlich groß – und dafür ist die recht unhübsche Tischplatte genau das richtige. Sollte der Versuch schiefgehen, so hätte ich wenigstens kein wertvolles Echtholz verschandelt…

Überraschung unter der Tischplatte

Rasch ist das Tischlein im Dachboden aufgespürt und in den Keller geschleppt. Jawohl, geschleppt, denn das Kindermöbel ist erstaunlich schwer. Im Keller angekommen, erklärt ein Blick unter die Tischplatte, warum das kleine Tischlein so gewichtig ist: das Gestell besteht aus massiver Eiche! Damit hätte ich ja im Leben nie gerechnet! Doch umso besser, denn dann muß ich mir um die Gestaltung des Unterteils ja keine Gedanken machen: es wird einfach abgeschliffen und mit Ladur behandelt. Perfekt!

Ich schraube also die Tischplatte herunter, frühstücke das Gestell wie geplant ab und widme mich dann der Platte. Ich entfette und reinige sie mit Spüliwasser, Schleife sie leicht an, ersetze einen fehlenden Umleimer, indem ich Schleifstaub mit Weißleim mische und die Padte an der rauen Kante auftrage. Als die Masse getrocknet ist, Schleife ich die Kante glatt und streiche die Tischplatte zweimal mit weißem Haftgrund.

Während der Haftgrund trocknet, mache ich mir Gedanken, wie ich die Platte nun gestalten soll. Die ganze Fläche im Wurzelholzlook? Nein, das wäre zu viel des Guten. Am schönsten ist wohl eine Einfassung in Mahagoni und ein Kern aus acht Teilen, zusammengesetzt aus zwei verschiedenen Wurzelhölzern. Jawohl, so mache ich es!

Die Gestaltung nimmt Gestalt an

Ich beginne mit der Einfassung aus Mahagoni, denn sie erscheint mir schwieriger in der glaubwürdigen Realisierung als die Wurzelhölzer. Mit Kreppband klebe ich einen sechs Zentimeter breiten Rand ab, und, natürlich, damit das Ganze Sinn ergibt, teile ihn in vier Teile, die an den Ecken auf Gehrung zusammenstoßen. Dann grundiere ich die beiden längeren Seiten je zweimal mit der bereits erprobten caramelfarbenen Wandfarbe. Sobald diese trocken ist, schleife ich leicht darüber und trage anschließend eine mittelbraune Lasur auf. In die schlage ich mit der Kleisterbürste die für Mahagoni typische Grundmaserung.

Dann heißt es tief durchatmen: ich werde jetzt zum ersten Mal „glattes“ Mahagoni imitieren. Und das auch noch in einem so schmalen Streifen. Also: rotbraune Lasur aufbringen, schwarze und orangefarbene Streifen unregelmäßig verteilen, einen breiten Pinsel mit drei Fingern greifen, etwas auffächern und von oben nach unten durch die Lasuren stupfen (Mottler). Anschließend mit einem Stück Schwamm streifenweise etwas Lasur entfernen und somit Lichter erzeugen. Dann mit einem ganz weichen Pinsel (Dachsvertreiber) leicht drübergleiten und die Übergänge verwischen. Auf die verwendeten Pinsel gehe ich zum Schluss ein – es sind selbstverständlich wieder zweckentfremdete, günstigere Modelle!

Als die beiden langen Seiten getrocknet sind, schütze ich die Farbe mit einer dünnen Schicht Schellack, nehme nach dem Trocknen das Kreppband ab und klebe neues auf, um die beiden kurzen Seiten in Angriff zu nehmen. Als diese fertig sind, entferne ich das Kreppband und töne die Umrandung mit Lasur dunkler. Nach dem trocknen kann auch das Kreppband zum inneren Teil vorsichtig abgerissen werden. Nun ist das Ergebnis in seiner ganzen Pracht zu sehen … Mag sein, dass ich das in zwei Wochen ganz anders sehe, aber im Moment bin ich echt begeistert!

Die neue Technik

Neu ist sie natürlich nicht, nur ich kannte sie noch nicht. Gelesen hatte ich zwar schon davon, aber noch keine Gelegenheit, mich daran zu versuchen – und keinen Schimmer, was man damit alles machen kann. Die Technik, mit der man wirklich irre Effekte erzielen kann, basiert auf den hydrophoben Eigenschaften von Spiritus. Oder, das trifft es eigentlich besser, auf den „spiritophoben“ Eigenschaften von Wasser. Sehen wir uns das mal genauer an …

Prinzip ist das folgende: man trägt eine dünne, sehr wässrige Lösung aus Acrylfarben und Wasser auf die absolut trockene Grundierung auf und verteilt dann tropfenweise Spiritus darauf. Und wie durch Zauberhand verdrängt der Spiritustropfen die wässrige Lasur auf sehr ansprechende Weise. In der Mitte bleibt ein Auge stehen, von dem aus Strahlen zum kräftigen Rand führen – an dem sich wiederum eine Art Wimpernkranz bildet.

Wenn man jetzt bedenkt, welche Faktoren eine Rolle bei der Ausbildung der Muster spielen, ist man schon wieder bei unendlich vielen Möglichkeiten:

  1. Wässrigkeit der Lasur: je wasserhaltiger die Lasur, desto schärfer bilden sich die Verdrängerkreise aus
  2. Auftragsdicke der Lasur: dünn aufgetragen gibt scharfkantige Verdrängerles, je dicker sie auf der Grundierung schwimmt, desto schwammiger fallen die Punkte aus
  3. Das gilt auch für die Feuchtigkeit der Grundierung: knochentrocken ist gleich scharf, je feuchter, desto diffuser
  4. Größe der Tropfen
  5. Geschwindigkeit der Tropfen: schnelle, geschleuderte Tropfen verdrängen effektiver als langsam auftreffende.

Dann hat man auch noch die Möglichkeit mit den Farben zu variieren und/oder mehrere Tropfschichten zu erzeugen. Ich denke, damit sollte man sämtliche Wurzelholzmaserungen dieser Welt imitieren können. Sollte… Denn hundertprozentig steuerbar ist die Tropferei dann doch nicht – ich hatte schon Mühe, jeweils 4 ersichtlich zu einer Wurzelholzart gehörende Felder zu erzeugen.

Die neue Technik in der Praxis

Würde ich nun exakt das nachvollziehen wollen, was ich vorab auf Karton gemacht hatte (siehe oben) – es würde nicht gelingen. Der Karton nämlich wellte sich und damit blieben Farbpfützen stehen, die eine gewisse Wolkigkeit erzeugten. Das kann die Resopal-Tischplatte natürlich nicht. Also geh ich halb entspannt, halb gespannt an die Sache ran und lass mich einfach überraschen.

Zunächst werden die geplanten Segmente sorgfältig abgeklebt, in der Hoffnung, daß Kreppband möge dichthalten und trotzdem ohne Schaden wieder ablösbar sein. Ich grundiere mit der caramelfarbenen Wandfarbe, er ich einen kleinen Schuss dunkelbraun beigemischt habe. Eine Schicht, trocknen lassen, zweite Schicht, trocknen lassen. Dann trage ich, allerdings nur auf ein Segment, sehr dünnflüssige Lasur, bestehend aus einem Cocktail brauner und dunkelblauer Acrylfarben. Warum Acrylfarben? Die hatten im Zusammenspiel mit Spiritus effektiver reagiert – so hatte ich bei einem Test im Vorfeld festgestellt.

Kaum ist die Lasur gleichmäßig verteilt – nicht zu dick, aber auch nicht zu dünn – nehme ich die bereits mit Spiritus gefüllte und mit einer stumpfen Kanüle bestückte Einwegspritze zur Hand und lasse Tropfen in die Lasur platschen. Da die Tropfen ja stets die gleiche Größe haben, versuche ich, das Tropfbild durch unterschiedliche Fallhöhen etwas zu variieren. Das funktioniert, allzu groß sind die Unterschiede allerdings nicht …

So gehe ich nun Segment für Segment vor. Als ich fertig bin und das Ergebnis in Augenschein nehme, stelle ich fest, dass ein Segment optisch aus der Reihe tanzt. Was genau der Grund dafür ist, kann ich nicht sagen, aber egal, was auch immer ich versuche, es will sich nicht anpassen.

In dieser Situation zeigt sich nun der Vorteil der Wandfarbengrundierung – und der sehr wässrigen Acryllasur: ich kann das widerspenstige Segment restlos von Lasur befreien, ohne die Grundierung anzugreifen und, nachdem das Segment gründlich mit dem Fön trockengeblasen wurde (wichtig, sonst wird das Tropfbild unscharf!), nochmal von vorne beginnen. Und diesmal gelingt auch das!

Nach dem Trocknen der ersten Schicht trage ich erneut Lasur auf und tropfe auf jedes Segment eine zweite Schicht. Und weil die Lasur so dünnflüssig und die Tropfkreise ind der zweiten Schicht völlig anders landen, ergeben sich Verschiebungen und Überschneidungen, die Leben ins Muster bringen. Ich kenne zwar kein Wurzelholz, das so aussieht – am ehesten noch aus dem Bereich der Designfurniere – beschließe aber trotzdem, es bei zwei Schichten zu belassen.

Als diese trocken ist, versiegle ich mein Werk mit einer hauchdünnen Schicht Schellack, so dünn, dass sie zwar schützt, aber trotzdem noch überstrichen werden kann, und trage danach noch eine stark verdünnte, dunkelbraune Möbellasur auf, um den gesamten Farbton eine Nuance dunkler zu machen. Voilà! Wieder warte ich ab, bis auch das getrocknet ist, und entferne dann vorsichtig die Abklebung, was tatsächlich unfallfrei gelingt…

Segmente Nummer Fünf bis Acht – Schleudertechnik

Bei den noch freien Segmenten ändere ich mein Vorgehen. Nachdem ich alles abgeklebt und die bereits bemalten Partien vor dem kommenden Spiritusregen geschützt habe, grundiere ich erneut. Diesmal in einem warmen Cremeton. Dann trage ich Lasur auf. Sie ist nicht ganz so flüssig wie die der ersten Segmente und ich trage sie zudem etwas großzügiger auf, um ein etwas verschwommeneres Muster zu erhalten. Die Lasur wird mit einem Schwämmchen zusätzlich wolkig gestupft, dann tauche ich meine Fingerspitzen in den Spiritus und schleudere die Flüssigkeit mit Schmackes in die Lasur.

Ein wunderschönes, unregelmäßiges Muster entsteht, zwischen den Verdrängerkreisen steht üppig die verdrängte Lasur. Ein langer Trocknungszustand beginnt, den ich nur hin und wieder störe, indem ich vereinzelt weitere Tropfen setze. Je nach Trocknungszustand der Lasur fallen die Nachzügler jedes Mal anders aus – sehr spannend!!!

Nach dem vollständigen Abtrocknen gibt’s wieder eine dünne Schutzschicht aus Schellack, dann setze ich noch zusätzliche Akzente mit dunkelbrauner Möbellasur und entferne schließlich Schutzfolien und Abklebung. Puh, alles gut gegangen! Nur noch ein paar Retuschen im Bereich der Kanten, was zu erwarten war, dann kann ich endgültig mit Schellack versiegeln und die neue Tischplatte auf das mittlerweile dunkel lasiert und gewachste Unterteil Schrauben!

Ach ja, mehr zu meinen Mottlern, Floggern und Dachsvertreibern, die alle keine echten sind, findet ihr auf der Equipmentseite!

BARBARA Written by:

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