ReDeN IST SILBER, SCHWEIGEN NuR BLECH

METALLKUNDE IM WORTDSCHUNGEL – WENN WORTE AUSSAGE HABEN

Gerade rund um das Reden sind außerordentlich viele Idiome entstanden. Entschuldigung, dass ich gleich zu Beginn so geschwollen auftexte und Idiome sage -, doch ich wollte mich schlicht und einfach gewählt ausdrücken und eine Doppelung vermeiden, indem ich den Begriff Redewendung eben genau an dieser Stelle nicht in den Mund nahm. Deshalb perlte mir stattdessen dieses rettende Fremdwort von den Lippen.

Doch wo war ich eigentlich stehengeblieben beim eigentlichen Ziel meines Verbalergusses? Ach ja, richtig, bei den zahlreichen Phrasen, die sich in Bezug auf einen Begriff gebildet haben, der in Theorie und Praxis eine der tragenden Rollen in unserem täglichen Miteinander spielt: das Reden. Oder wäre es treffender zu sagen – spielen sollte? Eine rein rhetorische Frage …

Mit welch mächtigem Instrument, sofern zielgerichtet und treffend eingesetzt, wir es da zu tun haben, offenbaren uns genau diese Formulierungen, die mal als äußerst arabesk gestalteter Phraseologismus, mal als plattitüdenhaftes Ondit daherkommen. Und auch wenn die ein oder andere Redensart mit ihrer Substanzhaftigkeit so manche Redeblume als pures Geschwafel dastehen lässt, so haben sie doch eines gemeinsam. Die feststehenden Verbalgebilde sind als illustrative Worthülsen zwar gern genutzt in aller Munde, doch über den Ursprung so mancher Redensart macht sich kaum jemand Gedanken.

Dabei könnte man allein auf Grundlage des folgenden Textblocks wahrscheinlich seine Master-, Bachelor-, oder etwas erweitert, sogar seine Doktorarbeit in Linguistik locker auf den Tisch bringen, ohne Bedenken haben zu müssen, zu wenig Stoff zu besitzen. Ich werde diese Chance heute auch nicht ergreifen, das würde zu weit führen. Okay, eine, eine einzige Ursprungserklärung wird es geben, überredet. Lassen Sie sich trotzdem oder gerade deshalb die anhängenden Zeilen (mit dieser Vorstellung im Hinterkopf) auf der Zunge zergehen:

Der eine redet sich um Kopf und Kragen, während der andere scheinbar unaufgebracht lauscht, dabei aber jedes Wort auf die Goldwaage legt. Eine natürliche Reaktion, wenn der Delinquent das Blaue vom Himmel herablügt, jedoch der irrigen Meinung ist, es könne nicht als solches identifiziert werden, schließlich habe er das Jägerlatein so eloquent paraphrasiert, dass es nur als bare Münze durchgehen könne. Manchmal akkreditiert sich, gerade in solchen Situationen, die alte Binsenwahrheit: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

Der Ursprung dieser letzten, oft gebrauchten Redewendung ist – ich halte mein Versprechen -, übrigens nicht restlos geklärt, doch Linguisten vermuten, dass ihre Wurzeln in der Bibel liegen, genauer gesagt in Psalm 12,7: „Die Rede des Herrn ist lauter, wie durchläutertes Silber.“ Die Heilige Schrift, bekanntermaßen nicht in deutscher Sprache erstverlegt, musste im Laufe der Zeit so manchen Translationsversuch über sich ergehen lassen.

Einen solchen, zumindest partiell, unternahm im Jahre 1792 der Philosoph Johann Gottfried Herder: „Lerne schweigen, o Freund. Dem Silber gleichet die Rede, aber zu rechter Zeit Schweigen ist lauteres Gold.“ Die Kernaussage der Herderschen Interpretation ist noch relativierend, lässt Spielraum, sich im geeigneten Moment verbal einzubringen. Die uns heute bekannte Phrase hingegen ist um einiges rigoroser und gebietet, wenngleich immer noch in charmante Worte verpackt, dem Maulhalten den Vorzug vor minderwertigem Geplapper zu geben. Der Grund für diese fast schon radikal zu nennende Adaption ist nicht geklärt, aber sicherlich dem Wandel des Zeitgeists zuzurechnen.

Oh heiliger Zeitgeist, mag der vormals geneigte Leser (spätestens) jetzt denken – sofern er mein Geschwalle bis hierher verfolgt hat -, was labert die Frau da für einen Stuss? Die hätte mal ihrem eigenen Salm besser zuhören sollen, dann hätte sie schon nach dem zweiten Satz aufgehört zu sülzen, und uns nicht mit ihrem gestelzten Geseier gelangweilt!

Oh nein, ich hätte nicht innegehalten, schließlich war genau das Sinn und Zweck meiner, zugegeben, etwas zurechtgedrechselten Zeilen: den Stellenwert des Wortes, des geschriebenen und des gesprochenen, zu verdeutlichen. Eine Abhandlung über das Reden, das plattes Gequassel wie auch inhaltsschweres Essay sein kann, je nachdem, wie es formuliert wird. Welche ungeheure Relevanz das Reden für uns hat, zeigt sich allein schon in der Flut verschiedener Synonyme für diesen eigentlich selbstverständlichen Vorgang, die in unserer Sprache existieren. Synonyme, die die qualitative Bandbreite von der untersten Bedeutungs-Schublade, also der, in der sich Plattitüden an inhaltsloses Geseier schmiegen, bis zur höchsten Stufe der sprachlichen Möglichkeitenausschöpfung, der Kommunikation. Sicherlich mindestens ebenso viele Synonyme, wie es im Inuktitut für Schnee geben soll. Schnee, weil er für die Inuit vergleichbar wichtig ist, wie für uns das Reden, die Kommunikation.

Uih, jetzt habe ich es doch gesagt, das Wort, das ich hier nicht gebrauchen wollte. Kommunikation. Kommunikation ist nämlich etwas, was jeder für sich in Anspruch nimmt, was jeder gerne erleben würde, was aber kaum jemand beherrscht. Im Gegenteil.
Kommunikation bedeutet nämlich einen Austausch von Worten, deren Inhaltsschwere sie berechtigt, als Kandidat für die Ablage auf der leider immer seltener gebrauchten Goldwaage wenigstens ansatzweise in Frage zu kommen. Wobei das selbstverständlich nicht das Ziel ist, ich wollte es lediglich als möglichen Gradmesser erwähnt haben. Ansonsten nämlich gilt nach wie vor der bereits genannte Grundsatz; von mir übrigens erneut etwas adaptiert: Schweigen ist Silber, Gelaber nur Blech, schieres Gold hingegen die Kommunikation!

Heiliger Zeitgeist, werden Sie dieses fiktive Wesen nun eventuell erneut anrufen, für diese Aussage verbrät die Frau das Zeichenkontingent von zwei Beiträgen?! Ich sag dir was, Zeitgeist: Ihr müsst mehr reden. Punkt, fertig. Das hätte ja wohl auch gereicht. Hätte es nicht! Und nicht mal mein Zwei-Beiträge-Aufsatz wird etwas bewirken.

Aber, liebe Zeitgeistanrufer, das ist mir völlig egal, denn eine Kürzung meiner Ausführungen hätte meinen Spaß an diesem Artikel erheblich geschmälert! Und den Zeitgeist, den kenne ich auch, doch ich fand ihn von Anfang an oberflächlich, recht unpersönlich und gestresst, wenn er auch bemüht cool versuchte, genau das zu verbergen.

Also, sch… auf den Zeitgeist! Im Zuge dessen fällt mir, eurer Schwalltante, tatsächlich und allem Überfluss sogar gleich noch ein kleiner Nachtrag zum Thema Inuktitut und Schnee ein. Ich habe geflunkert – der Rekord der Inuit nämlich seit rund 8 Jahren passé, neue Rekordhalter sind die Schotten. Mit sage und schreibe 421 Wörtern für einen einzigen Sachverhalt. Welchen? Tja, Schnee! Warum das Volk der über tausend Tartanmuster derart viele verschiedene Bezeichnungen für die weiße Pracht ohne Karos kennt, kann ich allerdings so ad hoc leider nicht erklären…

BARBARA Written by:

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