ODER: ALLES MUSS MAN SELBER MACHEN, WIRKLICH ALLES!
In kaum einer anderen Kultur nimmt ein so unscheinbares Tier eine derart bedeutende Rolle ein wie der Skarabäus im Alten Ägypten. Der heilige Pillendreher war für die alten Ägypter weit mehr als nur ein Käfer – er war ein kraftvolles Symbol für Wiedergeburt, Schutz und die Macht der Sonne. Ob als Amulett, Grabbeigabe oder kunstvoller Siegelstein: Der Skarabäus fand sich in unzähligen Formen und Materialien wieder und war fester Bestandteil religiöser Vorstellungen und alltäglicher Praktiken.

So hoch im Kurs steht der eher plumpe Käfer heutzutage nicht mehr, zumindest bei uns Menschen. In der Natur hingegen spielt der Mistkäfer – auch der Skarabäus ist ein solcher -, seit jeher eine zentrale ökologische Rolle. Mit erstaunlicher Ausdauer rollen diese Pillendreher Dungkugeln über weite Strecken, um sie als Nahrungsvorrat oder Brutkammer zu verwenden. Dabei helfen sie, den Boden zu düngen, Parasiten zu reduzieren und den Nährstoffkreislauf in Gang zu halten – ein stiller, aber unverzichtbarer Dienst am Ökosystem.
Besonders beeindruckend ist dabei ihre Kraft: Manche Arten des Pillendrehers bewegen Kugeln, die das 10- bis 50-Fache ihres eigenen Körpergewichts wiegen. Das entspricht, auf den Menschen übertragen, etwa dem Ziehen eines Kleinwagens mit bloßen Händen. Die Kugeln selbst können je nach Käferart bis zu 5 cm Durchmesser erreichen, während der Mistkäfer oft nicht größer als 2 bis 3 cm ist – ein faszinierendes Naturwunder, das schon die alten Ägypter in tiefes Staunen versetzte.
Kein Wunder also, dass dieser kleine Kerl mit der riesigen Kugel in manchen Regionen Afrikas auch in der Souvenirproduktion eine Rolle spielt. Und da sind wir schon beim Thema.
What I see when I pee
Wir waren unterwegs auf der Binga Road in Zimbabwe, einer Straße, die bei uns in Deutschland allenfalls als Feldweg, als schwer befahrbarer noch dazu, durchgehen würde. Doch in Zimbabwes Nordwesten ist dieser „Zustand“ die einzige, die Hauptverkehrsstraße, die dieses entlegene Landeseck mit Bulawayo beziehungsweise Harare verbindet. Und sie hat nicht viel zu bieten – außer jeder Menge Staub, unzähliger badewannengroßer Schlaglöcher und ein paar fast prähistorisch anmutender Teerreste, die jeden Motorisierten erheblich ausbremsen.
Und noch etwas: Zimbabwe ist reich an geologischen Besonderheiten; nicht umsonst bedeutet der Landesname „Häuser aus Stein“. Wir waren also unterwegs auf der Binga Road, hatten schon Stunden schneckenschnellen Gerumpels und Gerüttels hinter uns, als wir beschlossen, wieder mal eine Pinkelpause einzulegen. Und wir stoppten justament in einer Gegend, in der überall ausnehmend wohlgeformte Steine herumlagen.
Denen kommt man, zumindest als Frau, beim Pinkeln besonders nahe, und so wundert es nicht, dass wir nach einer kleinen Pause blasentechnisch zwar erleichtert, dafür aber um einige Kilo Steine schwerer wieder ins Auto kletterten.
Hier sieht man den Teil meiner Ausbeute, um den es in diesem Beitrag geht:


Probehalber setzte ich die Kugel auf die Platte. Uih, das sieht irgendwie schon wie eine Skulptur aus und wäre glatt so etwas wie ein Souvenir – und damit sehr willkommen, nachdem ich bis dato noch keines in diesem Urlaub gefunden hatte. Dann aber blitzte das Bild eines kugelrollenden Mistkäfers vor meinem inneren Auge auf, was natürlich noch viel besser als Andenken geeignet wäre. So soll es werden! Fehlte also nur noch der Käfer.
Diesen suchte ich für den Rest des Urlaubs – allerdings vergebens. Egal, an welchem der nicht gerade zahlreichen Souvenirstände an den Straßenrändern wir anhielten: es war kein entsprechendes Tier zu finden, das meinen Vorstellungen in Sachen Größe, Material und Umsetzung entsprochen hätte. Aus Metall sollte der Käfer sein, etwas rostig, korrodiert, bräunlich und möglichst wenig ausgearbeitet, also auf seine wichtigsten Merkmale beschränkt.
Als auch am Tag unserer Abreise am Flughafen, meiner letzten Hoffnung, nichts Passendes zu finden war, wusste ich, ich würde den Pillendreher wohl oder übel selbst machen müssen…
Zuhause begann ich dann mit Experimenten: welches Metall in welcher Stärke eignet sich zur Herstellung des gewünschten Käferkörpers? Aus 0,5er-Alublech und Blumendraht kam dann der unten abgebildete Entwurf zustande. Allerdings musste ich das Alublech mit Acrylfarben bemalen, um den Korrosions-Effekt zu erzeugen, weil Alu nun mal nicht braun werden will, sondern eher grau-schwarz anläuft.

Ich experimentierte weiter und kam schließlich zu dem Entschluss, den Körper aus Kupferblech zu hämmern. Online bestellte ich zwei runde Kupferplättchen mit einem Durchmesser von 60 mm und einer Stärke von 0,5 mm, schnitt die Grundform zurecht und hämmerte sie in die konvexe Form, die so ein Käferkörper nun mal hat. Auch den Brustschild mit Kopf schnitt ich aus dem Blech und bog sie rund. Nun begann der Korrosionsprozess.
Mithilfe von Salz, Essigessenz, aus Walnussschalen hergestellter Beize und offener Flamme traktierte ich das Kupfer. Dabei sorgt ein Tauchen des Kupfers in Essigessenz für eine bräunliche Grundtönung, bedampft man das Metall mit einer Mischung aus Salz und Essigessenz, entsteht Grünspan und der Kontakt mit Walnussbeize und Flamme erzeugt unregelmäßige, mehr oder weniger dunkelbraune Flecken. Nach mehreren Durchgängen in willkürliche Reihenfolge hatte ich das ersehnte Ergebnis erreicht!

Mit einem schmalen braunen Filzstreifen und Sekundenkleber fügte ich Körper und Kopf zusammen und fixierte das Korrosionsresultat mit mattem Klarlack.
Dann formte ich Beine und Fühler aus Blumendraht und umwickelte die Beinchen zusätzlich mit dem gleichen Material. Dieses ‚Fahrgestell“ befestigte ich ebenfalls mit Filz und Sekundenkleber unter dem Korpus.


Dann wurde nur noch die Granitkugel auf der Sandsteinplatte befestigt (ebenfalls mit Filz und Sekundenkleber) und schon konnte der selbstgebastelte Skarabäus sein schweres Werk beginnen. Und ich hatte doch noch ein Souvenir!

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