SCHREIBTISCHKOMMODE, ANTIK, SUCHT NEUE, AUFREGENDE AUFGABEN

Dichtegrad Wohneinrichtung – Ansichtssache

Meine Mutter, Fan einer übersichtlichen Einrichtung und eines eher cleanen Wohnstils, sagt immer, bei mir sähe es aus wie im Museum. Ihr Faible für eine klar strukturierte Wohnung liegt, laut eigener Aussage, durchaus auch darin begründet, dass sie leichter sauberzuhalten wäre. Ja, und ich muss ihr in beiden Fällen Recht geben: meine Vorliebe für in die Jahre gekommene und antike Möbel hat in der Tat dazu geführt, dass die Mobiliar- und Accessoiredichte etwas höher ist, stellenweise sogar so, dass ich mich einbremsen muss, um die Wirkung der einzelnen Stücke mit dem Aufstellen eines weiteren Traumkommödchens oder zauberhaften Konsölchens nicht ernsthaft in Gefahr zu bringen.

Und ja, ein Putzanfall will logistisch weise und zeitlich großzügig angegangen werden – da is nix mit effektiv und großen Schritten wie ein Derwisch durch die Wohngefilde zu feudeln. Nein, bei mir ist es eher das sorgsam-bedächtige, quadrantenweise Vorgehen, das zumindest einen gewissen Reinigungserfolg verspricht. Immerhin habe ich hier die Unterstützung einer verständnisvollen Zugehfrau, die sich ohne Murren und Knurrren einen Nachmittag Zeit nimmt, um zum Beispiel meine petersburg-gehängten Bilderwände von Staub und Schlieren zu befreien.

Der nächste Termin findet dann unter dem Motto Holzpflege im Esszimmer statt. Ein sicherer Job, ganz nebenbei bemerkt, denn die Arbeit geht niemals aus: ist sie endlich durch, kann sie gleich wieder von vorne beginnen, da die Reinigungarbeiten nach Quadranten geschwindigkeitstechnisch einem entschleunigten Slow Cleaning sehr nahe kommen. Aber ich wollte ja ganz etwas anderes erzählen…

Schreibtischkommode, antik, sucht

Es hat sich nämlich in puncto Mobiliardichte wieder etwas getan. Auf meiner Wunschliste standen ja noch ein Barockkommödchen und ein kleiner Sekretär. Und weil das dichtemäßig zu unschönen Kumulationen geführt hätte, hatte ich in den letzten Monaten absolute Enthaltsamkeit gelebt, was einen Besuch des Kleinanzeigenportals betraf.

Eines regnerischen Samstags im März allerdings konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Nur eine kleine Stippvisite, eine klitzekleine! Und bumm, war’s schon wieder passiert! Ein Kombistück, das quasi beide Wünsche vereinte, sprang mich förmlich an. Und das auch noch zu einem günstigen Preis und in unter 50 Kilometern Entfernung. Schneck, kriegen wir das ins Auto? Ja, sagte mein Goldstück. Verkäufer angeschrieben, eine Stunde später die Antwort – eins, zwei, meins! Theoretischer Teil. Am nächsten Tag folgte dann das Eins-zwei-meins in der Praxis und kaum, dass ich mich versah, stand die Schreibtischkommode bei mir im Keller!

Ich kaufe nämlich nichts, woran ich nicht noch was machen müsste. Sonst wärs ja langweilig. Tja, und die Schreibtischkommode brauchte dringend eine Kur. Sie war nämlich nichts Antikes, sondern ein Stilmöbel aus den 60er-Jahren, dafür aber mit herzallerliebst gebogenen Schubladen, elegant geschwungenen Schultern und hübschen, intarsierten Motive. Allerdings hatte damals irgendein in Sachen Holzwurmbefall völlig unbeleckter Vollpfosten gemeint, er müsse das Möbel antikisieren, indem er ihm mit einer Art Mini-Morgenstern Bohrgänge beibrachte. Bohrgänge, wie sie nie eine Bockkäferlarve, die auf sich hält, ins Holz geknabbert hätte. Eine zoologische Dumpfbacke vor dem Herrn also, dieser Antikisierer!

Außerdem, so hatte mir der Verkäufer erzählt, habe seine verstorbene Mutter das Kommödchen in täglichem Gebrauch gehabt. Und das sah man ihr auch an. Also der Kommode. Beziehungsweise dem das Kommödchen bedeckenden Lack. Und der musste jetzt weg!

Schreibtischkommode mit falschen Bohrgängen wird Schmuckstück

Ich zückte die Spirituspulle und machte, gespannt den Atem anhaltend, eine Probereibung. Halleluja, Glück gehabt – es war Schellack!!! Eine Woche und 2 Liter Spiritus später war das Schreibkommödchen abgelackt. Kurz mit feiner Körnung drübergeschliffen, setzte ich zum Pseudowurmloch-Kampf an. Und zwar mit Bimssteinpulver, das jeder Schellackpolitur als Grundierung vorausgehen sollte. Das Pulver soll die Poren des Holzes schließen, damit die darauf folgende Lackpolitur auf möglichst optimale Bedingungen trifft, in den letzten Schichten zum Hochglanz geplömpelt zu werden.

Hochglanz, pfui! Etwas, was ich zutiefst verabscheue! Das nimmt dem Holz seine Lebensspuren und verleiht ihm einen fast schon kunststoffartigen Superglatteffekt, den ich einfach unnatürlich finde.

Meine Bimssteinkur hatte ein anderes Ziel: ich mengte nun dem an sich weißen Pulver eine winzige Prise Ocker-Pigment zu und rieb das Gebräu in mehreren Durchgängen sachte ins Holz ein. Wie von Zauberhand wurden die falschen Bohrgänge dadurch weniger prominent und ein Teil davon verschwand ganz. So sah das ja schon ganz gut aus!


Nach der dritten Schicht Bimspulver schliff ich mit einer 800er Körnung drüber, gerade so viel, dass die sandige Haptik etwas geglättet wurde. Dann folgten mehrere Schichten Schellack, immer wieder leicht zwischengeschliffen, sodass sich die Oberfläche nach der letzten Lackschicht wie der Po eines Babyhais anfühlte. Also eigentlich samtig. Und so zeigte sich auch der Schimmer des Lacks. Babyhaiposamtig! Perfekt in meinen Augen und unter meinen Fingern. Und: das Holz der Kommode hatte wieder Zeichnung bekommen, die Intarsien traten wieder kontrastreicher hervor. Zeit also, das Schmuckstück vom Keller in meine Wohnung zu verbringen!


Gesagt, getan… Nun begann die Entscheidungsphase: wohin mit dem guten Stück? Es war von Anfang an klar, dass etwas würde weichen müssen, bedauerlicherweise! Nachdem ich alle Möglichkeiten durchgespielt hatte, wusste ich auch, was: Das Tischlein, auf dem der Fernseher steht. Der Tisch ist zwar auch ganz nach meinem Geschmack, hat aber diverse Nachteile.

Erstens ist er nicht in der Lage, den Kabelverhau zu verbergen, der sich in meinem „Medienzentrum“ angesammelt hat. Router, Telefon, TV, DVD-Player, etc. Das sieht aus wie bei Hempels! Und zweitens ist er ein wenig niedrig. Vor ein paar Jahren hatte ich mir einen CornerChaise gebaut, der vor dem Sofa steht. Lümmelt man nun auf diesem, schneidet die Lehne der Kurzchaiselongue – was für ein Paradoxon – sämtliche Untertitel auf dem Fernsehbildschirm ab, sodass man, möchte man sie lesen, ständig wie eine Schildkröte mit dem Hals rucken muss.

Problem ist nur, dass die Schreibtischkommode zwar 17 Zentimeter höher ist, dafür aber nur 15 Zentimeter breit, zumindest da, wo der Fuß der Glotze mal stehen soll. Der jedoch benötigt eine Fläche von 30 x 40 Zentimeter. Ich muss folglich schon wieder etwas konstruieren…

Konstruktionscortex AN

Aber halt, das muss ich ohnehin, denn wie und wo soll ich sonst den DVD-Player unterbringen? In die untere Schublade geht nicht, denn der Player ist ein Frontbediener und seine Kabel müssten zudem durch die Rückseite der Schreibtischkommode kommen. Und die anbohren? Geht gar nicht! Also wird augenblicklich der Konstruktionscortex aktiviert und spuckt nach einer Weile folgendes aus: ein Regalturm, der hinter die Kommode kommt und genau die selbe Höhe hat, der die Grundfläche für den Standfuß bildet und an dem ich einen Tastaturauszug befestigen werde, auf dem der DVD-Player seinen Platz finden wird.

Dann kann man diesen UNTER der Schreibtischkommode herausziehen, frontal bedienen und das Möbel bekommt so kein Löchlein, kein Schräublein ab. Wird er nicht benötigt, verschwindet er unter der Kommode und ist fast unsichtbar. Frau, das klingt nach einer brauchbaren Idee!


Also tätigt Frau die nötige Besorgung, sprich den Tastaturauszug, und verschwindet derweil wieder im Keller, um aus Restbrettern den Regalturm zu bauen. Dann wird der Turm in die Wohnung hochgeschleppt, der Tisch mit der sperrigen Glotze beiseite gerückt und stattdessen der Turm samt des mittlerweile gelieferten Auszugs platziert und installiert.

Verdammt! Sagte ich nicht, Turm und Kommode müssten exakt die selbe Höhe haben? Ich hatte auch alles ganz genau ausge- und berechnet, nur leider dabei den Teppich falsch eingeschätzt, auf dem die Kommode stehen wird – und jetzt ist der Turm 1,5 Zentimeter zu hoch! Aber nix, für das es keine Lösung gäbe: ich umfasse den Überstand einfach mit einer dunkel lasierten Profilleiste und alles ist gut!


Dann kommt der große Moment: Der Fernseher wird auf den Turm gehievt, zurechtgerückt und das Sekretärkommödchen davorgeschoben. Sieht gut aus! Und als abends auch noch das Probefernsehen ohne Schildkrötenhals, gemütlich auf die Couch gelümmelt, vonstatten geht, bin ich vollends zufrieden. Nun ja, weitestgehend. Denn der Regulator muss noch höher gehängt werden und, was mich wirklich anficht: jetzt ist wirklich kein Platz mehr für weitere Möbel, glaub ich…

BARBARA Written by:

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