Kaum zu glauben, aber wahr: seit meiner ersten Motto-Weihnachtsfeier bei meiner neuen Firma ist nun exakt ein Jahr vergangen. Und statt eines Faszinators entstand dieses Mal eine Blose. Was das ist? Das erzähl ich euch gleich …
Motto: Disco, Glitzer, Glamour, Achtziger – GLAMETTA
Wie bereits letztes Jahr erwähnt, finde ich Mottopartys eigentlich ziemlich doof. Es ist so wahnsinnig zeitgeistig, dass man nichts machen kann, was nicht zumindest ein bisschen Eventcharakter hat, man die Leute nicht abholt, wenn man nur schnöde zur simplen Feier lädt. Der moderne Gast braucht etwas, wonach er sich richten und woran er sich festhalten kann, denn ein schlichtes Zusammentreffen ohne Leitfaden überfordert offenbar die sozialen Kompetenzen vieler Zeitgenossen.
Doch wenn schon Mottoparty, eine, zu deren Besuch ich mich verächtlich schnaubend durchgerungen habe, dann halte ich mich auch an dieses Motto. Auf meine Art – nämlich mit einem bei dieser Einstellung unerwarteten Engagement. Nun ja, selbst basteln oder schneidern wollte ich diesmal eigentlich nichts, sondern einfach nur ein fertig gekauftes, aber gutes Outfit tragen. Das wiederum sollte natürlich nicht zu teuer sein, denn wann ziehe ich im wahren Leben schon Glitzerklamotten an?
Also blieb nur eine wahrhaftige Nachhaltigkeitssünde – die Bestellung beim Billigchinesen. Der war zu diesem Zeitpunkt sogar besonders günstig, denn es war Black Friday – eine ganze Woche lang. Eine echt abstruse Erfindung, der Tag, der eine Woche dauert, doch wirklich praktisch in diesem Falle, beschied siè mir doch ausreichend Zeit, mit Bedacht eine knackig-silbrige Kluft auszuwählen.
Ich entschied mich für einen silberfarbenen Anorak, ein Top mit Glitzerfransen, ein schwarzes, glänzendes Hemd, eine Handtasche – und eine weite Hose aus glänzendem Plisséestoff. Schwarzfreitägige Sonderpreise plus satte 30 Prozent zusätzlich obendrauf ließen den ganzen Glänzeplunder nur knapp 50 Euro kosten. Unfassbar billig, ja, geradezu nachgeworfen. Wenn auch damit noch etwas verdient ist – und davon ist auszugehen -, kann man sich lebhaft vorstellen, unter welchen Bedingungen die Klamotten hergestellt werden.
Mein schlechtes Gewissen jedoch schiebe ich ausnahmsweise beiseite, zu groß ist meine Freude über den Schnäppchenkauf und die Vorfreude, das Outfit zu tragen. Vorfreude, getrübt durch eine klitzekleine Unsicherheit: so toll ich die Hose finde, so sehr ich bin auch im Zweifel über deren Kleidsamkeit…
Das Plisséehöschen ist mächtig aufdrågad
Ein wunderschönes bayrisches Wort, das genau das ausdrückt, was die Hose mit meinen ohnehin nicht gerade sparsamen Kurven anstellt: sie trägt ordentlich auf. Sprich, sie ist, wie befürchtet, nicht gerade ein Figurschmeichler und rückt mich, was die Stämmigkeit betrifft, in unmittelbare Nähe dieser massigen Rösser, die auf dem Oktoberfest mit stoischer Ruhe tonnenschwere Brauereiwägen durch die Menschenmenge ziehen. Die Kaltblüter tragen ihre umfangreiche Hinterhand mit Eleganz zur Schau, meine Hinterhand ist mit dem aufdrågadn Beinkleid jedoch schlicht und einfach ein dicker Arsch. Und das geht gar nicht!
Klamotten: billig. Guter Rat: teuer
Tja, was nun? Was neues, anderes werde ich sicher nicht kaufen, aber die Hose ziehe ich auch nicht an. Zumindest nicht als Hose. Mir ist nämlich beim Anblick der Hosenbeine eine Idee gekommen – sie wären wunderbar geeignet als Ärmel. Weite, engelsflügelgleiche, fließend fallende Glitzer-Glamour-Ärmel! Ich gehe in mich, denn ein Oberteil aus der Hose zu machen, bedeutet auf jeden Fall ne ganze Menge Arbeit. Und einmal begonnen, ist die Hose nicht mehr als Hose zu gebrauchen – eine No-return-Entscheidung also.
Noch einmal schlüpfe ich in die Hose, so, wie es sich gehört und betrachte mich von allen Seiten. Nein, Brauereigaul adé, die Entscheidung ist gefallen, die Hose wird eine Blose! Mit den Armen voran tauche ich in die Hosenbeine, den einen Teil des Hosenbunds unter den Schulterblättern, den anderen ziehe ich nach dem Reinschlüpfen über den Kopf hinter den Nacken. Das wäre die Lösung, die am wenigsten Arbeit nach sich ziehen würde. Aber war klar, dass es so nicht sitzt, oder?
Der Hose geht’s an den Kragen
Zu allererst brauche ich eine Öffnung, durch die ich meinen Kopf durchstecken kann. Vorsichtig trenne ich also die Naht im Schritt auf, von der Mitte aus, nach beiden Seiten gleich weit, bis mein Kopf durchpasst. Nun kann ich sehen, wie weit ich noch auftrennen kann oder muss, um einen schönen Ausschnitt zu kreieren. Mehrmals ziehe ich das gute Stück über, während ich mich mit dem Pfeiltrenner an den idealen Ausschnitt herantaste. Damit sich dann die Naht nicht weiter auftrennt, fixiere ich die so geschaffene Öffnung mit ein paar kleinen Stichen.
Wieder ziehe ich die entstehende Blose über den Kopf und stelle mich vor den Spiegel. Nun muss ich Abnäher setzen, die mir das Abtrennen und Neuannähen der Hosenbeine in einem anderen Winkel ersparen und natürlich ein paar Raffnähte, die eine Büste formen. Und das ist schwieriger als gedacht, denn der glänzende Plisséestoff verzeiht keine auch noch so kleine Schlamperei und ist zudem äußerst plastisch in seinem Licht-Schatten-Verhalten.
Ich habe nicht mitgezählt, wie oft ich die Blose an- und wieder ausgezogen habe, bis die erforderlichen Abnäher an der richtigen Stelle saßen – fünfzig Mal reicht wahrscheinlich nicht…. Dabei sind es lediglich 3 (in Worten drei) formgebende Nähte auf jeder Seite des Oberteils.
Raffung Eins sitzt an der Schulter und sorgt dafür, dass das Hosenbein an der richtigen Stelle „abknickt“ und seine Funktion als Ärmel übernimmt. Raffung Zwei, etwa in Höhe des Schlüsselbeins, unterstützt den korrekten Fall des Ärmels, aber auch die Form der Büste. Raffung Drei, am unteren Ende des Ausschnitts, ist allein für die Ausformung der Büste zuständig.
Wichtig ist, dass diese formgebenden Abnäher exakt an der richtigen Stelle sitzen – was auch die meiste Zeit in Anspruch nahm -, der Rest ist, verglichen damit, ein Kinderspiel. Es muss noch die Länge der Ärmel angepasst werden; die überschüssigen Stoffstreifen habe ich zum Säumen des Ausschnitts verwendet, einen Knopf damit überzogen und diesen am unteren Ende des Ausschnitts befestigt und noch ein Schleifchen daraus genäht, das ich als Haarschmuck in meine 80er-Lockenpalme steckte.
Auf der Rückseite der Glitzer-Blose habe ich, damit die Ärmel auch von dort aus etwas Lenkung erfahren, noch eine ca. 10 Zentimeter lange, zusammenfassende Naht gesetzt – und schon war aus der fließenden Plisséehose, die so auftrug, eine einzigartige, schimmernde Bluse geworden, die voll und ganz zum Motto „Glametta“ passt.
Accessoires, Make-Up und Frisur runden den Look ab
Mein lieber Freund Olli sagt immer: Ich kann dir ja raten, was ich will, du hast doch immer schon was im Kopf und machst dann ohnehin dein Ding.
Nun, da hat er natürlich nicht ganz Unrecht, trotzdem ist er ein hervorragender und, vor allen Dingen, ein geduldiger und ehrlicher Berater. Auch diesmal nimmt er sich viel Zeit und ich schicke ihm über messenger gefühlte hundert, schnell gemachte Fotos von verschiedenen Möglichkeiten der Accessoirewahl und Frisuren, bis wir uns einig sind. Hier ein paar der Fotos, mit denen ich ihn zugeballert habe…
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