ESSTISCH: EINeN VERLÄnGERTEN*, BITTE!

Nein, ich werde keine Anekdote aus einem besonders schummrigen Eck eines Wiener Kaffeehauses zum besten geben. Vielmehr geht es um meinen geliebten Esstisch in der Küche, der wahrlich nicht der größte ist. 115×68 cm misst seine Platte, die ich einst von einer leicht klebrigen Linoleumauflage befreit und mit Bootslack neu versiegelt hatte. Jetzt steht er da seit nunmehr 30 Jahren und dient mir treu als Ablage, als Teigknet- und Plätzchenausstechunterlage, als Fleischwolfhalter, als Schnellbüro, ja, und natürlich auch als Tisch.

Als Tisch, an dem gegessen und getrunken wird. Das ist auch alles wunderbar – das kleine Kaffeekränzchen mit ner Freundin, der wochentägliche Morgenimbiss. Also alles, bei dem man relativ wenig Platz braucht.

  • * Das sagt der Wiener zu einem mit Wasser „verlängerten“ Espresso.

Platzproblem am Esstisch


Am Wochenende ein üppiges Frühstück zu zelebrieren oder abends mal ordentlich aufzutischen, das hingegen erfordert schon eine gewisse Logistik beim Verteilen von Geschirr und Köstlichkeiten. Eine echte Herausforderung ist allerdings, wenn sich zu solch einer Schlemmerlage auch noch Freundesvolk gesellt. Zwar wartet im Esszimmer geduldig die lange Luise, ein ausziehbarer Jugendstiltisch, doch nein, die Küche muss es sein. Weils so gemütlich ist…


Nun gut, der Wunsch meiner Freunde ist mir selbstverständlich Befehl, doch dass ich den Tisch jedes Mal komplett freiräumen muss, das nervt mich. Nein, es nervTE. Vergangenheit. Warum? Weil ich Abhilfe geschaffen habe. Und warum überhaupt freiräumen? Tja, das hatte ich in der Einleitung unterschlagen: weil da Kram rumliegt. Ein kleiner Blumenübertopf fürs noch kleinere Geld, sprich die Kupfermünzen, die sich wie die Mäuse im Geldbeutel vermehren, zwei Lesebrillen, Kuli, Notizblock, Süßstoff, Zucker, Instantkaffee und die Taschentuchbox für den Morgenschnief. Als Minimalausrüstung des täglichen Bedarfs, um nicht aufstehen zu müssen, wenn man sich gerade wohlig niedergelassen hat und einem doch wieder was Existenzielles fehlt.

Doch das Existenzielle ist ja greifbar, jippieh – es nimmt nur Platz weg (der Münztopf gehört übrigens nicht dazu, für seine Dauerwohnlage sind andere Gründe relevant, jedoch in diesem Falle nicht von Bedeutung)!


Alles in Reichweite

Aber zurück zum Tisch. Das Existenzielle muss weiter greifbar bleiben, aber im Paket von A nach B zu bewegen sein – und etwas ansprechend darf es dabei auch noch aussehen. Nun fiel die Entscheidung, wie weit A und B auseinanderliegen sollen oder dürfen: nicht weit, nämlich gerade mal 35 cm – ich habe mich entschlossen, den Tisch mit einer Klappvorrichtung zu verlängern. Die nimmt in eingeklapptem Zustand keinen Platz weg, ist flugs hochgeklappt und schafft den Reserveplatz, der die komplette Tischplatte nutzbar macht und gleichzeitig die existenziellen Utensilien in Reichweite bleiben lässt.

Und weil ich möglichst wenig neu kaufen wollte, durchforstete ich das Restholzeck im Keller. Hah, wunderbar, da fand sich doch glatt eine 2 cm starke, furnierte Leimholzplatte, die mit ihren 60 cm Breite zwar etwas schmäler als der Tisch daherkam, aber ja ohnehin noch eine Balustrade als „Runterfallsperre“ erhalten und in runtergeklapptem Zustand auch nicht über die Tischbeine hinausragen sollte. An solchen Überständen holt man sich nämlich gerne mal blaue Flecken.


Die Platte, auf eventuelle Mängel kontrolliert und ringsherum sorgfältig glattgeschliffen, erhielt nun eine Balustrade, einen erhöhten Rahmen aus 1 cm starken, 4,7 cm breiten Fichtenholzleisten, den ich, natürlich nur auf drei Seiten, festleimte und mit ein paar kleinen, versenkten Schrauben zusätzlichen Halt verlieh.


Dann suchte ich mir ein paar stärkere Holzleisten in meinem Restholzhaufen, die, an den Tischbeinen festgeschraubt, den Tischplattenüberstand kompensieren und für einen nahtlosen Übergang der Tischplatte in die Ausklappeinheit sorgen sollten. Leider konnte ich nichts finden, was auf Anhieb gepasst hätte, weshalb ich drei Schichten aufeinanderleimen musste. Doch aus der Not eine Tugend gemacht, verleimte ich in der Mitte eine dunklere Holzschicht, was den Abstandhaltern sogar noch etwas Dekoratives verlieh. Am unteren Ende schräg abgeschnitten, sahen sie mehr wie ein Zierpostament denn wie ein schnöder Abstandshalter aus.

Eines kommt zum anderen…

An diesen Säulen schraubte ich nun Konsolwinkel fest – und zwar so, dass nach Aufsetzen des Klapptabletts eine stufenlose Ebene mit der Tischplatte entstand. Perfekt! Nein, halt, nicht perfekt… In hochgeklapptem Zustand war es tatsächlich wie geplant, doch was ich vergessen hatte, war ein recht unschöner Spalt zwischen Tischplatte und Klappplatte, der sich ziemlich störend zeigte, wenn man die Platte herunterklappte. Grübel, grübel und sinnier, was konnte ich dagegen unternehmen?

Einfachste Lösung: eine Abdeckung in Tischbreite, die mithilfe zweier L-förmiger Winkeleisen in die Gelenke der Konsolwinkel gesteckt wird und so den hässlichen Spalt verdeckt, wenn die Klappe nicht benötigt wird. Vor dem Hochklappen wird die Blende einfach angehoben, entfernt und beiseite gestellt – in meinem Fall in einen Spalt neben der Heizung. Existiert so eine Möglichkeit nicht, böte es sich an, zwei Schlaufen unter dem Tisch anzubringen, in die man die Schiene bei Nichtbenutzung einhängt und unauffällig verschwinden lässt.

So, nun war ich schon recht zufrieden mit meiner Klapplösung – es fehlte nur noch eines: die Verstauung der existenziell wichtigen Utensilien in optisch ansprechender Form und in einer Art und Weise, dass das ganze Paket mit einer Handbewegung auf die Klappe verschoben werden konnte.

Ein schlichtes Tablett, etwas kleiner als die Klappe selbst, erschien mir ideal. Meine gewurzelholzte Zuckerdose und die ebenfalls derart veredelte Taschentuchbox hielten gleich auf dem Bambustablett mit den schwarzen Griffen Einzug und machten dort eine wirklich gute Figur. Der in der Mitte verbleibende Platz musste nun den Inhalt der Holzschüssel aufnehmen – ein Vorhaben, das sich mal wieder nur durch eine Maßanfertigung der Marke Eigenbau realisieren ließ… Warum nur gibt es das, was ich mir vorstelle, eigentlich nie fertig und passend zu kaufen?

Nun ja, das wäre zu einfach – und ich müsste nichts basteln. Seufzend, aber auch voller Taten- und Gestaltungsdrang, machte ich mich an die Herstellung eines exakt in die Lücke passenden Kästchen. Aus 10 mm starkem, mit Echtholz furniertem Sperrholz, zinkte ich eine Box, fräste eine Nut, in die ich die Bodenplatte einließ, fasste die Ecken mit einer dekorativen Aluleiste, setzte gestalterische Elemente mit laubfroschgrüner Acrylfarbe, sägte einen variablen Steckeinsatz aus dünnem Sperrholz und strich auch diesen in grellem Grün.

Ein ebenfalls froschgrüner Filz kam als weiteres Farbelement als Bodenbelag in die Box – und war gleichzeitig als Geräuschdämpfer für meine empfindlichen Morgenohren gedacht – der variable Einsatz wurde platziert, das Kästchen eingeräumt und in die Lücke zwischen den beiden Wurzelholzboxen gesetzt. Hah, wunderbar!

Eigentlich wäre das Küchentisch-Projekt hiermit fertig gewesen, doch Heinz und ich sind keine zwanzig mehr und benötigen Lesebrillen. Und die liegen immer schlampig auf dem Tisch herum. Doch schlampig ist jetzt nicht mehr! Also nähte ich noch flugs zwei Etuis aus Filzresten – ein grünes für meinen Lieblingsweitsichtigen und ein gelbes für mich selbst. Natürlich passen auch die aufs Tablett. So, und jetzt sag ich nix mehr, denn ich habe tatsächlich fertig!!!

BARBARA Written by:

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